01 Catalania (Horst-Michael Schaffer) 10:28
02 View No.5 (Uli Rennert) 07:12
03 Still (Heinrich von Kalnein / Doblinger Musikverlag) 04:51
04 Inside Out (Horst-Michael Schaffer) 09:09
05 The Code (Heinrich von Kalnein / Gregor Hilbe) 07:34
06 Push (Uli Rennert) 05:16
Total playing time: 44:49
Horst-Michael Schaffer – Vocals, Trumpet, Flügelhorn, Composition
Heinrich von Kalnein – Tenor- & Soprano Saxophone, Flute, Alto Flute, Composition
Uli Rennert – Keyboards, Lapsteel Guitar, Composition
Thomas Wilding – Electric Bass
Tom Stabler – Drums, Live Electronics
Guests:
Nguyên Lê – Electric Guitar, Effects
Wolfgang Puschnig – Alto Saxophone, Flute
“When we decided to produce a recording I wanted to have French-Vietnamese guitar virtuoso Nguyên Lê and the doyen of the Austrian jazz scene, alto saxophonist and flutist Wolfgang Puschnig to record with us. Both of them have a very distinct sound and they fit perfectly to our quintet. The music comes in equal parts from my long-time JBBG – JAZZ BIGBAND GRAZ partner Horst-Michael Schaffer, keyboardist Uli Rennert and myself.
After two days we were done and very satisfied – and had material for at least two productions! I believe that we developed something very special with this band and we do have a lot of fun – of and on the stage as well as the studio.”
Heinrich von Kalnein
Als CD und Vinyl erhältlich.
Recorded January 22 – 24, 2020 at ArteSuono Studio, Cavalicco (UD), Italy. Recorded, mixed and mastered by Stefano Amerio. Produced by Heinrich von Kalnein for JBBG – JAZZ BIGBAND GRAZ. Edits at audio! Studio Graz, Austria by Christopher Frank. Executive Producer: JBBG – JAZZ BIGBAND GRAZ.
Photos by Peter Purgar and Rory Alec.
Graphic artwork by Peter Hoffmann.
Videos shot and edited by Rory Alec Stephen.
Additional video footage by Simon Reithofer.
Produced by Heinrich von Kalnein and John Heitzmann for Natango Music.
Executive Producer: JBBG – JAZZ BIG BAND GRAZ.
(p) & © 2020 Natango Music
von Ulrich Steinmetzger
Nach einem träumerischen Trompetenintro von Horst-Michael Schaffer braucht es nur gute zwei Minuten, dann hat sich ein griffig-zeitloses Thema in den Kopf gefräst und trägt durch das erste Stück dieser wunderbar eingängigen neuen CD der Jazz Bigband Graz. Die Spannung wird über eine Dreiviertelstunde nicht nachlassen. Es wird eine Vokalnummer geben, wieder mit Schaffer im Zentrum und ganz am Puls der Zeit, eine Vollbremsung in ein statisch-elegisches Stück, ausgefuchste Solos der gelegentlichen Gäste Nguyên Lê an der Gitarre und Wolfgang Puschnig am Altsaxofon, natürlich treten im Verlauf der kurzweiligen Ereignisse auch alle anderen nach vorn: Saxofonist und Flötist Heinrich von Kainein, E-Bassist Thomas Wilding, Keyboarder und Lapsteel-Gitarrist Uli Rennert, Schlagzeuger Tom Stabler mit seinem elektronisch verzauberten Groove ist sowieso allpräsent. Felsenfest elastisch ist diese Musik, immer noch unverbraucht und ideenprall. Chic und frisch erreicht das als eine stimmig austarierte Mischung den Hörer in einer schlüssigen Fusion aus Pop, World, Minimal und Jazz, für die man schwer Vergleiche finden wird.
So kennt man die Jazz Bigband Graz seit anderthalb Jahrzehnten unter den Herren Schaffer und von Kalnein. Sie haben den Grazer Klangkörper zu einer unverhofften potenziellen Lieblingsband gemacht Nur: So wie auf ihrem neuen Opus kennt man ihre unikäre Kapelle noch nicht. JBBG Smål – Gran Riserva nennen sie sich, denn sie agieren hier nur zu fünft, sind höchstens sieben, wenn sich die Gäste dazugesellen. Und doch bestechen auch in diesem musikalischen Rumpfparlament Druck und Kompaktheit, ausgefuchste Kurzweil und energetischer Vorwärtsdrang. Es hört sich an, als ware das alles für die
große Mannschaft komponiert und wurde der gemeinsamen Aufführung harren. Viel leicht tut es das ja tatsachlich, in der Hoffnung auf bald wieder mögliche Auftritte in Mannschaftsstärke. Dennoch ist es viel mehr als nur ein Platzhalter fur Größeres. Ohnehin sind die bestechenden Arrangements noch vor Corona im italienischen Udine Im Studio realisiert worden, als keiner ahnte, was kommen würde. Und wie man hört, entstand dort sogar Material für ein Volume 2 im nächsten Jahr.
Man wollte einfach mal festhalten, wie und dass die so einmalige Musik dieser Bigband im kleineren Format ebenfalls funktioniert. Und sie tut es. Auch in dieser Extraktband treffen sich das Entspannte und das Punktgenaue, das Geplante und das Spontane, als musste es genau so sein.
Nguyên Lê agiert griffig geradeaus und addiert Spurenelemente seiner Heimat Vietnam, Wolfgang Puschnig macht die Satzgesänge noch griffiger und ist als Solist eh eine Klasse für sich.”Times of Change” bietet ausschließlich Eigenkompositionen der Quintettmitglieder.
Diese Band sitzt nicht im orthodoxen Jazzgefängnis. Was sie abliefert, ist ein europäisches Statement. Man hat sich gelöst von den amerikanischen Vorbildern. Das ist genau gebaut, kontrolliert und doch spontan und voller Energie. Das hat dieses innerlich Stimmige, das eine Voraussetzung fürs Abheben ist. Das fusioniert das poppig Eingängige mit den Finessen des Jazz zu einer Melange, wie sie die Grazer Bigband so markant und wiedererkennbar macht. Insofern ist der beibehaltene Name für die kleine Band kein Etikettenschwindel.
Das spielt mit klassischen Formen und unterminiert sie wie beiläufig durch kleine elektronische Gimmicks, womit auch der selige Jazzrock ein Update bekommt, weil es sich eben nicht auf erstarrte Formen zurück zieht. Hier wird ausgeruht nach vorn geschaut und nicht zurück. Insofern ist diese neue Einspielung wieder ein großes Entkrampfungsprogramm. Und diese Aufnahmen haben zudem ein bestechendes Understatement. Hier wird nicht beflissen etwas vorgeführt, sondern wird souverän geerntet, ohne groß posen zu müssen. Denkaufgaben werden nicht gestellt, alles fließt in ungehemmter Spielfreude.
Nguyen Le agiert griffig geradeaus und addiert Spurenelemente seiner Heimat Vietnam, Wolfgang Puschnig macht die Satzgesange noch griffiger und ist als Solist eh eine Klasse für sich.”Times Of Change” bietet ausschließlich Eigenkompositionen der Quintettmitglieder.
Diese Band sitzt nicht im orthodoxen Jazzgefängnis. Was sie abliefert, ist ein europäisches Statement. Man hat sich gelöst von den amerikanischen Vorbildern. Das 1st genau gebaut, kontrolliert und doch spontan und voller Energie. Das hat dieses innerlich Stimmige, das eine Voraussetzung fürs Abheben st. Das fusioniert das poppig Eingängige mit den Finessen des Jazz zu einer Melange, wie sie die Grazer Bigband so markant und wiedererkennbar macht. Insofern 1st der beibehaltene Name für die kleine Band kein Etikettenschwindel.
Das spielt mit klassischen Formen und unterminiert sie wie beiläufig durch kleine elektronische Gimmicks, womit auch der selige Jazzrock ein Update bekommt, weil es sich eben nicht auf erstarre Formen zurück zieht. Hier wird ausgeruht nach vorn geschaut und nicht zurück. Insofern 1st diese neue Einspielung wieder ein großes Entkrampfungsprogramm. Und diese Aufnahmen haben zudem ein bestechendes Understatement. Hier wird nicht beflissen etwas vorgeführt, sondern wird souverän geerntet, ohne groß posen zu müssen. Denkaufgaben werden nicht gestellt, alles fließt in ungehemmter Spielfreude.
JAZZ in Österreich |JAZZ BIGBAND GRAZ und Marie Spaemann + Christian Bakanic
Text: Heinz Schlinkert | Fotos: Peter Purgar, Julia Wesely
Graz, 18.11.2020 | Der Jazz hatte es lange Zeit nicht leicht in Österreich. Deshalb ging Hans Koller 1950 nach Deutschland, Joe Zawinul 10 Jahre später in die USA. Allerdings gings auch schon mal andersherum. Art Farmer zog 1968 nach Wien, wo er 10 Jahre lang blieb und unter anderem mit der Kenny Clarke/Francy Boland Big Band und dem Fritz Pauer Trio spielte. Der österreichische Saxofonist Harry Sokal gehörte später zu Farmers Band, und gab 2016 mit „I remember Art“ einen Rückblick auf diese Zeit.
Das 1977 von Mathias Rüegg, Wolfgang Puschnig und Woody Schabata in Wien gegründete Vienna Art Orchestra war lange Zeit führend. Nach der Auflösung 2010 hat die Jazz Big Band Graz (JBBG) diese Rolle übernommen. Seit 2003 unter der Leitung von Heinrich von Kalnein und Horst Michael Schaffer hat sie den klassischen Big-Band-Sound weiterentwickelt.
Denn inzwischen hat sich einiges in der österreichischen Jazzszene getan. Wien und Graz sind international bekannte Jazzadressen. Thomas Gansch ist als Trompeter von Mnozil Brass berühmt geworden und es gibt viele weitere Jazz-Musiker in Österreich. Einen Überblick gibt Michael Ternai in einem Text bei www.musicaustria.at.
Als Beispiele für aktuellen österreichischen Jazz stelle ich nun zwei sehr unterschiedliche Gruppen vor, die gerade neue CDs veröffentlichen:
JAZZ BIGBAND GRAZ – JBBG Smål – „Times of Change” Vol.1
Dass die Zeiten sich ändern, hatte schon 1964 Bob Dylan mit Erfolg angemerkt und auch der Wind of Change der Scorpions war 1990 eine gute Prognose. Ebenso passt Times of Change des JBBG gut in unsere bewegten Zeiten, obwohl das so ursprünglich nicht intendiert war.
Die JBBG Smål GRAN RISERVA ist die Kerntruppe des JBBG. Sie besteht aus Horst-Michael Schaffer (Vocals, Trumpet, Flügelhorn), Heinrich von Kalnein (Tenor- & Soprano Saxophone, Flute) und Uli Rennert (Keyboards, Lapsteel Guitar); alle haben auch komponiert. Dazu gekommen sind Thomas Wilding – Electric Bass und Tom Stabler – Drums. Guests:Nguyên Lê – Electric Guitar; Wolfgang Puschnig – Alto Saxophone, Flute. Mit Nguyên Lê hat die Bigband schon 2012 die „Urban Folk Tales“ aufgenommen.
Die Stücke der CD sind sehr unterschiedlich und bilden eine ‚Vielfalt in der Einheit‘. Bei Catalania entwickelt Horst-Michael Schaffer auf dem Flügelhorn aus einem ruhigen Intro heraus eine typisch spanische Melodie, das Concierto de Aranjuez klingt manchmal an. Und wenn man gerade denkt, es wäre nun Schluss, setzt Wolfgang Puschnig (?) mit einem langen Sax-Solo ein, das zusammen mit den Drums ein rhythmisches Crescendo aufbaut, in das dann Nguyên Lê mit einem furiosen Gitarren-Solo einmündet. Hier sind wir im Flamenco-Jazz angekommen. 10 Minuten dauert das und erst gegen Ende kommen alle langsam wieder runter zum Ausgangspunkt. Ein wunderschönes Stück!
Still ist wirklich sehr ruhig, aber nuancenreich. Auch View No.5 beginnt ruhig, die ‚kalte‘ Trompete von Horst-Michael Schaffer erinnert an frühen Fusion-Jazz, Miles Davis auf In a Silent Way zum Beispiel.
Inside Out – genau darum geht’s im Moment in der Krise. Wie auch das Video (s.u.) zeigt, singt Horst-Michael Schaffer fast durchgängig mit einer markanten Stimme, die mich an Greg Lake erinnert:
„When there’s a time of sadness of lonely tunes …
And every single word feels to intent to fall …”
Inside Out stellt die Verbindung her zum Albumtitel Times of Change, auch wenn die Band bei der Aufnahme noch nicht wissen konnte, wie gut dieser zur Corona-Krise passt. Das sehr weiche TenorSax von Heinrich von Kalnein begleitet, kommentiert. In der mittleren Phase des Sprechgesangs baut der Groove eine rhythmische Spannung auf, die Nguyên Lê mit einem Solo aufgreift und später ausklingen lässt. Am Anfang klingt es traurig, sehnsuchtsvoll, am Ende eher zuversichtlich in einem Sound, der mich wiederum an die alte Jazz-Rock-Formation Chicago erinnert. Bravo!
Ein rhythmisch immer gleich gespielter Ton, ähnlich einem Morse-Apparat, durchzieht The Code von Heinrich von Kalnein, über den nrwjazz im März berichtete. Dies ist ein Bläser-Stück. Warme Melodien und ruhige Soli, aber auch ein rühriges Schlagzeug von Tom Stabler.
In Push herrscht wieder der klassische Bigband-Sound, sehr fetzig, dazu ein langes Sax-Solo von Wolfgang Puschnig. Ein guter Abschluss und insgesamt ein sehr interessantes Album, je öfter man es hört, desto besser findet man es. Es gibt wohl noch weitere Aufnahmen aus der Produktion, die im nächsten Jahr als Vol 2 veröffentlicht werden sollen. Toller Sound! Zugabe!
JAZZ BIGBAND GRAZ – JBBG Smål – „Times of Change” Vol.1
LC 27958 NATANGO MUSIC NAT 47621 (CD / LP / Download)
Vertrieb Galileo-MC
Veröffentlichung: 03. November 2020
Hans-Dieter Grünefeld
Auf dem Cover ist kleingedruckt, worauf hingewiesen wird: die Jazz Bigband Graz Smål -Gran Riserva, also die Miniatur des Originals plus zwei prominente Gäste. Sie geben diesem Repertoire besonderen Schub. So wird aus der »Catalania« Solitude, wie sie Horst- Michael Schaffer am Flügelhorn über kompaktem Rockbeat intoniert, ein folkloristischer Marsch, den Heinrich von Kalnein am Tenorsax und Wolfgang Puschnig am Alto so lockern, dass der E-Gitarrist Nguyên Lê iberisches Temperament auflodern lassen kann. Für die elastischen Grooves sind E-Bassist Thomas Wilding und Schlagzeuger Tom Stabler verantwortlich. Sie führen das duale Trompeten-/Sax-Thema »View No.5« aus einer Ostinato-Trance zu einem Bass – Solo in verzerrtem Sound, ähnlich »Still«, nur psychedelisch geprägt. Das vokale Monodrama »Inside Out« kommentiert wiederum Nguyên Lê mit pentatonischen Licks, während »The Code« auf einem ungerade morsenden Metrum basiert und von Uli Rennert am E – Piano eigenen Drive bekommt. Der funky »Push« steckt das Spektrum dieses vitalen Quintetts als »Times of Change« genau ab: Das ist subtil pochender Jazz gegen wankelmütigen Trübsinn.
Michael Ternai
Die JAZZ BIGBAND GRAZ zeigt auf ihrem neuen Album „Times of Change Vol. 1“ (Natango Music), auf welch aufregende Art man sich musikalisch neu erfinden kann.
Blickt man auf alle bisherigen Veröffentlichungen der Jazz Bigband Graz (u.a. „Electric Poetry“, „Urban Folktales“ und „True Stories“), lässt sich eine musikalische Konstante definitiv festmachen: von der seit mehr als fünfzehn Jahren von den beiden Jazzurgesteinen Horst-Michael Schaffer und Heinrich von Kalnein geleiteten Formation sind uninspirierte Wiederholungen eigentlich nie zu erwarten. Die JBBG schafft es immer wieder, andere spannende musikalische Akzente zu setzen und den Bigband-Sound in Richtungen zu entwickeln, die selten wirklich vorhersehbar sind. „Times of Change“ macht da keine Ausnahme.
EIN ALBUM VOLLER ÜBERRASCHUNGEN
Die erste Überraschung, die die neue Platte bietet, ist der Umstand, dass die beiden Bandleader sich dazu entschlossen haben, die Großformation zu einem Quintett plus Gastmusiker zu schrumpfen. Die zweite ist jene, dass sich das musikalische Ergebnis trotz dieser Verkleinerung im Klang immer noch verdammt „groß“ anhört. Horst-Michael Schaffer (Trompete, Gesang), Heinrich von Kalnein (Saxofon, Alt-Flöte) und ihre Mitstreiter Uli Rennert (Keyboards), Thomas Wilding (Bass) und Thomas Stabler (Schlagzeug) liefern als JBBG Smål – Gran Riserva einen Sound ab, der musikalisch wunderbar in die Breite geht und von Jazz über Pop und Minimal Music bis hin zu afrikanischer Musik so ziemlich alles in facettenreicher Weise vereint.
Mal klingt das Dargebotene – wie etwa beim sich wirklich wunderbar steigernden Eröffnungstrack „Catalania“ – mit Unterstützung der beiden namhaften Gäste Wolfgang Puschnig (Saxofon) und Nguyên Lê (Gitarre) tatsächlich wie etwas Großformatiges, dann wieder gibt sich die Band – wie bei „Still“ – fast schon minimalistisch. Zwischen diesen Polen lassen es die Beteiligten lässig grooven, sie improvisieren und experimentieren, ohne dass sie aber das musikalische Ganze aus den Augen verlieren, und füllen die Stücke mit gediegener Stimmung und Atmosphäre aus, sodass man als Hörer*in wunderbar in sie eintauchen kann.
Horst-Michael Schaffer und Heinrich von Kalnein ist es auf „Times of Change Vol. 1“ erneut gelungen, ihrem Projekt eine neue spannende Richtung zu geben. Das Album durchzuhören, macht einfach Spaß, es bietet Unterhaltung auf höchstem Niveau und weiß auch nach vielen Durchläufen zu gefallen. Ein schönes Hörerlebnis.
Thomas Haak
Raumschiff Enterprise des Jazz mit kleiner Crew
Reduziert auf ein Quintett präsentiert die Jazz Bigband Graz-Crew musikalische Abenteuer, wie sie stets im Rahmen einer Grazer Konzertreihe zu erleben sind.
Dass im Jazz orchestrale Konzepte keineswegs ausgereizt sind, beweist die Jazz Bigband Graz (JBBG) spätestens seit ihrer Übernahme durch den Saxofonisten Heinrich von Kalnein und den Trompeter Horst-Michael Schaffer im Jahr 2003. Seitdem erspielte sich das Großensemble mit seinem kompromisslosen Abschied von tradierten Bigbandmustern schnell einen ausgezeichneten Ruf als Jazzorchester der Zukunft. An die Stelle üblicher Tutti- und Soli-Schemata trat ein komplexer Gesamtsound mit starken Einflüssen aus Electronica, Minimal Music, Drum & Bass und außereuropäischen Musikkulturen. Das macht die Jazz Bigband Graz zu einer Art Raumschiff Enterprise im Kosmos des orchestralen Jazz.
JBBG Smål – Gran Riserva
Wie im vorliegenden Fall zusammen mit dem französisch-vietnamesischen Gitarristen Nguyên Lê sowie Österreichs Altsaxofon- und Flöten-Ikone Wolfgang Puschnig: “Er bringt eine Frische in die Musik, die ihresgleichen sucht” – sagt JBBG-Keyboarder und Lapsteel-Gitarrist Uli Rennert und fügt hinzu: “Mit Nguyên Lê ist es natürlich eine ganz besondere Freude zu arbeiten – gerade weil wir zum Teil auf ähnlichen Gebieten tätig sind – klangmalerisch vor allem und mit elektronischen Effekten.”
Einem großen Rotwein gleich
Aufgenommen wurde vor Beginn der Pandemie, nahezu unter Live-Bedingungen, im italienischen Udine im ArteSuono Studio von Stefano Amerio: “Stefano ist einer der besten Ingenieure, die ich in Europa für diese Musik kenne. Und trotz eines etwas größeren logistischen Setups ging alles so leicht von der Hand, dass wir nach zwei Tagen rausgingen und Material für zwei tolle Produktionen hatten”, so Heinrich von Kalnein über Musik mit weiterem Veröffentlichungspotential, die in puncto Musikermenge zwar reduziert, aber mit großen Reserven daherkommt; wie ein guter Rotwein. Eben “JBBG Smål – Gran Riserva”, wie es der Subtitel des Albums auf den Punkt bringt.
von Michael Tschida
Ganz schön big für smål – Quintett der Jazz Bigband Graz liefert 1-a-Musik
Vor zwei Jahren rief der Grazer Stockwerkjazz mit der Jazz Bigband Graz die Extra-Reihe „JBBG Smål – Gran Riserva“ ins Leben. Dieser fünfköpfige Kern aus der Großband um die Bläser und Masterminds Horst-Michael Schaffer und Heinrich von Kalnein sowie Keyboarder Uli Rennert lädt seither hochkarätige Kollegen ein. So Gott und Corona wollen, packt als nächster Gast Rick Margitza vor ihnen seine Saxofone aus, was der 59-jährige aus Detroit u.a. schon für Miles Davis tat.
Das JBBG-Quintett kann am 16. Dezember am Jakominiplatz 18 dann auch gleich seine pressfrische CD feilbieten, die ganz schön big für smål ist. Diese heißt zwar fast programmatisch „Times of Change“, entstand aber schon im Jänner, also vor Corona, im Artesuono Studio in Udine. Für die sechs dichten Eigenkompositionen und die zupackenden Interpretationen gebührt dem „Taschenformat“ der Bigband einmal mehr das Siegel Güteklasse 1 a. Das garantieren auch zwei „erlauchte Gäste“, wie Kalnein stolz sagt, auf dessen Label das Album erschien: der experimentierfreudige Ausnahmegitarrist Nguyên Lê und der ewig junge Saxophon-Altmeister Wolfgang Puschnig.
von Sven Thielmann
Seit über 15 Jahren ist die Jazz Bigband Graz bekannt für ihre zwischen Pop in allen Spielarten und expressivem Jazz schillernde Klangsprache. Für das neueste Projekt „Times Of Change” haben die Masterminds Horst-Michael Schaffer und Heinrich von Kalnein ihr Großformat jedoch kräftig abgespeckt. Auf nur fünf Mann, die als „JBBG Smål -GRAN RISERVA” es dennoch mit imposanten Soundscapes hemmungslos grooven lassen.
Die versprühen einen heiteren Retro- Charme und sind doch in ihrer vitalen Originalität klar modernem Elektro-Jazz verpflichtet. Wobei die neuen, noch jungen Rhythmiker mit sonorem, zwischen Schnurren und Pulsen wechselndem Bass sowie mit zischenden Cymbal-Flashs ihren fabelhaften Melodikern souverän den Rücken frei und die Räume offen halten. Dass der gut zehnminütige Opener „Catalania” größer klingt als er ist, verdankt sich zwei famosen Gästen. Dem Gitarristen Nguyên Lê, der die opulente Pracht mit unverwechselbarer Spielfreude überglänzt. Und dem Star-Jazzer Wolfgang Puschnig, der mit Altsax und Flöte die kleine Bläser-Section ins veritable Big-Band-Format ausweitet. Auch in den nachfolgenden Tracks faszinieren Schaffer und von Kalnein mit melodisch attraktiven Tutti, die regelmäßig von kraftvollen Solo-Exkursen aufgebrochen werden, die Uli Rennert am Keyboard mit reichen Farben dynamisch grundiert. Was bei „Inside Out”, wo der brillante Trompeter über Lê’s Gitarren-Jubel auch als Sänger firmiert, zum überwältigenden Prog-Rock-Vergnügen aufblüht. Klar das markanteste Beispiel, wie lustvoll dieses Quintett sich die Historie taufrisch zu eigen macht. Was künftig mit „Vol. 2″ weiteren Spaß verspricht!
von Ernst Weiss
Diese „große Reserve“ hat Durchschlagskraft, weltmusikalische Assimilationen und forschen Pep. Seit Beginn der 90er Jahre sind 3 Musiker des aktuellen Quintetts in der Jazz Bigband Graz aktiv. Mit einer neuen CD, „Times of Change – Volume 1“, poliert man abermals das solide Qualitätslevel der Band blitzsauber.
Die „Riserva“ konstelliert sich im aktuellen Falle aus dem Bassisten Thomas Wilding und dem Schlagwerker Tom Stabler, beide studierten an der Grazer Kunstuniversität, beide wurden 2014 zu Joe Zawinul-Preisträgern auserkoren. Die weiteren drei Kollegen in der Band sind weit prominenter und auch in der internationalen Jazz-Szene im Spitzenfeld: Uli Rennert (p, synth) wurde in Frankfurt am Main geboren, ist aber bald 30 Jahre österreichischer Staatsbürger. Heinrich von Kalnein (alle sax, fl.) ist ein Künstler, der auch in Deutschland (Baden-Baden) das Licht der Jazzwelt erblickte (1960), jedoch seit 1982 hauptsächlich in Österreich tätig ist und durch sein Workaholic-Syndrom für den Jazz der Republik immense Leistungen erbringt. Bleibt noch der Steirer Horst-Michael Schaffer, ein begnadeter Trompeter, Sänger, Arrangeur und Komponist. Eines untere vielen Indizienbezüglich seines Talentes ist eventuell, daß Schaffer in London für die damals mächtige BMG als Songwriter, Produzent und Musiker verpflichtet war (u.a. Kooperation mit Nick Cave). Als Draufgabe lud man noch zwei prominente Gäste (Wolfgang Puschnig, as, und Nguyên Lê, git.) ein, die bei jeweils 2 Titeln mitspielen. „Times of Change“ stellt 6 Songs vor, jeweils 2 Kompositionen stammen von den 3 Protagonisten des Ensembles.
Schaffers „Catalania“, die Eröffnungsnummer, ist gleichzeitig ein Highlight des Tonträgers. Ein spanisch gefärbter Track, dramatisch, hymnisch und perfekt arrangiert. Schaffer, Puschnig und Le solieren spektakulär und spannungsreich. „View“ von Uli Rennert und „Still“ von Heinrich von Kalnein nehmen Tempo heraus, man spürt eine lauernd erwartungsvolle Stimmung. Ein weiteres Highlight ist „Inside Out“, von Horst-Michael Schaffer gesungen und komponiert. Ein Lied über eine Zeit der Trauer und Angst. Schaffer studierte u.a. klassischen Gesang am Grazer Konservatorium. Im letzten Viertel des Stücks solieren Lê und von Kalnein (ts) mit Power in perfekter Technik. „The Code“ (von Kalnein) und „Push“ (Rennert) stehen am Ende eines Albums, das die Punze „brilliant“ verdient.